Wednesday 30 September 2015

Vorsprung durch…Branding [GER]

In London, dem europäischen Zentrum für Branding und kreativem Nabel der Welt, habe ich einige interessante Sachen gelernt. Eine meiner Aufgaben während meines Praktikums bei Barnaby Benson Copywriting war das Durchführen von Marktforschung auf dem deutschen Markt. Als ich nach potentiellen neuen Geschäftspartnern in Deutschland gesucht habe, haben sich mir auffällige Unstimmigkeiten eröffnet.

Mir sind viele englische Versionen deutscher Webseiten mit nur durchschnittlich gutem Englisch begegnet. Um es kurz zu fassen: Hier gibt es eine Menge Verbesserungspotential. Wenn man darüber nachdenkt, ist es logisch, dass jedes Unternehmen eine englische Webseite benötigt, um internationale Kunden anzuziehen. In Deutschland jedoch ist es Gang und Gäbe Übersetzungsagenturen zu beauftragen. Diese fertigen dann eine gute, wörtlich übersetzte englische Version der deutschen Originalwebseite an. ‚Aber selbstverständlich‘, könnten Sie jetzt sagen. ‚Wo liegt das Problem? Wenn die deutschen Werbebotschaften großartig sind, sollte eine Übersetzung doch genügen. Wir haben bereits die komplette Kommunikation dem Tone of Voice entsprechend formuliert und das notwendige Branding auf Deutsch durchgeführt. Jetzt müssen wir die Texte nur noch korrekt übersetzen.' 


Doch genau an dieser Stelle kommen interkulturelle Missverständnisse und nicht beachtete nationale Unterschiede ins Spiel. Was in Deutschland funktioniert, muss nicht notwendigerweise in Großbritannien – oder einem beliebigen anderen Land – funktionieren. Jeder weiß, dass man seine Kommunikationsmaterialien dem Zielmarkt des jeweiligen Landes anpassen muss. Sogar dann, wenn dies bedeutet, dass man sein Branding überdenken und die Texte neu erstellen muss. Das kostet Zeit und Aufwand – aber es wird sich lohnen. Sind Übersetzungsagenturen wirklich in der Lage dieses Überdenken der Markensprache durchzuführen? So wie ich es gesehen habe, scheint es, als sähen sie dies nicht als Teil ihres Aufgabengebietes.

Sie sind immer noch nicht überzeugt? Hier ist der Beweis:

Audi erzielte riesigen internationalen Erfolg mit dem deutschen Slogan: ‘Vorsprung durch Technik’. Jetzt könnten Sie sich vielleicht denken: ‚Wenn es so wichtig ist, die Markensprache der Kultur anzupassen, wieso hat dann Audi den Slogan für den britischen Markt nicht in eine englische Version übersetzt oder eine französische Version für den französischen Markt entwickelt? Versteht Audi dann etwa nichts von Branding? ‘

Tatsächlich legte Audis globales Marketingteam beim Verwenden der Sprache zur Erschließung internationaler Märkte ein besonders fortschrittliches Verhalten an den Tag. Ihnen war bewusst, wieso Menschen ihre Autos kaufen – weil diese deutsch sind und Deutschland berühmt für beste Technologie ist. Es bei dem deutschen Slogan zu belassen, sagt zwei Dinge aus: Deutsch (es ist immerhin eine deutsche Phrase) und Technologie (das Wort ist der englischen Entsprechung ähnlich genug). Dies sind die zwei großen Vorteile, die Audi zu bieten hat. Sie sind der Grund dafür, wieso Menschen sich für einen Kauf entscheiden. Eine Übersetzung, eine englische Version war gar nicht nötig, da der deutsche Satz alles aussagte – und zwar besser als es auf Englisch je möglich gewesen wäre.

Außerdem impliziert die deutsche Phrase eine gewisse Intelligenz des Kunden. Sie ist ein Kompliment an dessen Emotionen: Ein Audi-Fahrer ist intelligent genug zu verstehen, wieso das Unternehmen den Slogan auf Deutsch verwendet. Einen Audi zu fahren ist der Beweis dafür, dass man intelligent ist. Den deutschen Schriftzug zu benutzen bietet also zusätzlich diesen emotionalen Benefit.

Die interessante Frage, die sich nun stellt, ist diese: Hätte eine Übersetzungsagentur Audi geraten, die Zeile in der Originalsprache zu lassen?

Interessanterweise wird in den USA ein anderer Slogan verwendet – ein englischer Slogan: ‚Truth in Engineering‘. Diese Tatsache ist wiederrum Beweis für Audis sensiblen Gebrauch von Sprache, um sich nationalen und kulturellen Unterschieden anzupassen. US-Amerikaner sind Mehrdeutigkeiten gegenüber weit weniger tolerant als Engländer oder Franzosen. Daher war ein explizit englischer Slogan gefragt. So wurde der Slogan wieder an den Zielmarkt angepasst.

Das ist Branding. Und es impliziert ziemlich eindeutig, wie deutsche Unternehmen ihre internationalen Webseiten erstellen sollten.



Danke, Barnaby Benson, dass mir durch Sie einer von vielen Unterschieden zwischen den Werbeindustrien Deutschlands und Großbritanniens bewusst geworden ist. Ich werde ihn in Erinnerung behalten. Und die deutschen Unternehmen? Wenn sie international so erfolgreich werden möchten wie Audi, denke ich, dass ein Erinnern daran keine schlechte Idee wäre.

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